Wort der Bischöfin zur Wiederaufnahme von Gottesdiensten
Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Beate Hofmann, wendet sich am Sonntag ‚Kantate‘, dem 10. Mai 2020, anlässlich der Wiederaufnahme von Gottesdiensten in manchen Gemeinden in einer Kanzelabkündigung an die evangelischen Gemeindemitglieder. Sie weist darauf hin, dass sich die Gemeinden voraussichtlich noch lange in einer veränderten „Normalität“ einrichten müssten. Dabei hoffe sie, dass es gelinge, in den Regionen vielfältige Gottesdienstkonzepte zu entwickeln, die niemanden gesundheitlich gefährdeten und zugleich möglichst vielen Menschen das Hören von Gottes froher Botschaft ermöglichten. Die Bischöfin ermuntert dazu, die Bedingungen vor Ort kreativ zu nutzen: „Wer eine große Kirche hat, feiert Kurzgottesdienste im Kirchengebäude; wer einen großen Platz oder eine große Wiese und eine gute Lautsprecheranlage hat, feiert Gottesdienste auf dem Klappstuhl im Freien; die dritten feiern miteinander am Telefon und die vierten stellen einen Gottesdienst ins Internet. Nicht alle müssen alles machen.“ Die „neue Normalität“ werde den Gläubigen weiterhin Geduld, Besonnenheit und Durchhaltevermögen abverlangen.
In einem Rückblick auf die
letzten Wochen stellt Hofmann fest, dass mitten im Stillstand Neues gewachsen
sei. Viele kreative Formen seien entstanden, um Menschen u.a. über das
Internet, Fernsehen, Radio und in Telefonandachten zu erreichen. Trotz der
Unterbrechung vieler kirchlicher Angebote seien wesentliche Seiten an Kirche
mit geschärften Sinnen wahrgenommen worden. Man habe gelernt, wie wichtig
Sorgenetze in der Gesellschaft seien und welche Bedeutung Seelsorge habe, damit
Menschen nicht allein seien, auch im Sterben nicht. Man habe Wege gesucht,
„damit die, denen alles zu viel wird, sich ihren Kummer von der Seele reden
können und Trost erleben und damit die, die um ihre Existenz fürchten – bei uns
und weltweit – Solidarität erleben.“ All das werde es weiterhin brauchen: „Wir
können daran wachsen und entdecken, worauf es ankommt: Den Hunger nach Leben
und die Sorge um Leben klug miteinander zu verbinden.“
Die Kanzelabkündigung im Wortlaut:
„Singet dem Herrn ein neues
Lied, denn der Herr tut Wunder!“ Psalm 98.1
Liebe Schwestern und Brüder
in Christus,
heute, am Sonntag Kantate,
dürfen nach 8 Wochen Unterbrechung erstmals wieder Gemeindegottesdienste in
unseren Kirchen stattfinden. Viele von Ihnen haben es vermisst, sich sonntags
auf den Weg in „Ihre“ Kirche zu machen, vertraute Menschen zu treffen und
miteinander Gottes Wort zu hören, zu singen und zu beten. Manche haben sich
gefreut über die vielen neuen Wege, die wir in den letzten acht Wochen entdeckt
haben, um weiter Gottesdienst zu feiern: im Fernsehen, Radio, in
Telefonandachten, bei Gottesdiensten im Internet, oder bei Gottesdienst „to go“
für Zuhause. Und manche, die sonntags nicht regelmäßig in den Gottesdienst
gehen oder den Weg nicht mehr schaffen, haben sich gefreut, auf diesen Wegen
mitfeiern und teilhaben zu können. Mitten im Stillstand ist Neues gewachsen.
Die Gottesdienste, die wir
jetzt feiern können, werden sich von denen vor dem 15. März unterscheiden: Zwei
Meter Sicherheitsabstand, beschränkte Besucherzahl, Maske tragen, kein
Handschlag beim Friedensgruß oder beim Abschied an der Tür, Abendmahl nur unter
besonderen, sehr strikten Hygienevorschriften. Persönlich finde ich besonders
traurig, zumal am Sonntag Kantate, dass wir nicht miteinander singen können.
Gemeinsames Singen hat die höchste Ansteckungsgefahr, wie bittere Erfahrungen
von Chören in anderen Ländern zeigen. Vieles, was christliche Gemeinschaft
spürbar macht, wird weiter nicht möglich sein. Umso mehr bleibt es unsere
Aufgabe, dass wir konzentriert aufeinander hören und einander wahrnehmen.
Wir werden uns
voraussichtlich noch lange in einer veränderten „Normalität“ einrichten und
kreative Wege suchen müssen, um „dem Herrn ein neues Lied zu singen“. Ich hoffe
sehr, dass es gelingt, in den Regionen vielfältige Gottesdienstkonzepte zu
entwickeln, die zwei zentrale Anliegen verknüpfen: Niemand wird gesundheitlich
gefährdet und möglichst viele hören Gottes frohe Botschaft in analogen und
digitalen Gottesdiensten. Darum möchte ich die Verantwortlichen ermuntern,
weiterhin kreativ zu sein und Verschiedenes zu kombinieren, ohne das Neue
zusätzlich zu allem Bisherigen anzubieten. Vielmehr: Wer eine große Kirche hat,
feiert Kurzgottesdienste im Kirchengebäude; wer einen großen Platz oder eine
große Wiese und eine gute Lautsprecheranlage hat, feiert Gottesdienste auf dem
Klappstuhl im Freien; die dritten feiern miteinander am Telefon und die vierten
stellen einen Gottesdienst ins Internet. Nicht alle müssen alles machen. Darum werden manche
Gemeinden warten, bis sie wieder Gottesdienste in Kirchenräumen feiern. Die
Situation vor Ort ist unterschiedlich und soll vor Ort verantwortlich
entschieden werden. Dazu möchte ich ausdrücklich ermutigen.
Die „neue Normalität“ wird
uns weiterhin Geduld, Besonnenheit und Durchhaltevermögen abverlangen. Wie Noah
in der Arche, so sitzen wir weiterhin und hoffen, dass die Katastrophe
vorbeigeht; wir werden Tauben und Raben aussenden und warten, welche Botschaft
sie uns bringen. Und das Land wird anders aussehen, wenn die Pandemie vorbei
ist. Doch Gottes Bogen leuchtet über uns und sagt uns seinen Segen und Schutz
zu. Er verspricht uns: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und
Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (Gen 8,22)
Wir haben in den letzten
Wochen viel Neues entdeckt und trotz der Unterbrechung vieler kirchlicher
Angebote wesentliche Seiten an Kirche mit geschärften Sinnen wahrgenommen. Wir
haben gelernt, wie wichtig Sorgenetze in unserer Gesellschaft sind und welche
Bedeutung Seelsorge hat, damit niemand ganz allein ist, auch im Sterben nicht.
Wir haben Wege gesucht, damit die, denen alles zu viel wird, sich ihren Kummer
von der Seele reden können und Trost erleben und damit die, die um ihre
Existenz fürchten – bei uns und weltweit – Solidarität erleben. All das wird es
weiterhin brauchen. Wir können daran wachsen und entdecken, worauf es ankommt:
Den Hunger nach Leben und die Sorge um Leben klug miteinander zu verbinden. Das
ist für die Kirche keine völlig neue Herausforderung, wie ein Blick ins Neue
Testament zeigt. Darum gilt auch für uns, was Paulus der Gemeinde in Rom
schreibt:
„Seid fröhlich in Hoffnung,
geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet, teilt das, was ihr habt und seid
gastfreundlich.“ (Röm 12,12f)
Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen
Dr. Beate Hofmann
Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck